Andreas Feindt
Schul- und Unterrichtsentwicklung ist in den vergangenen Jahren im deutschsprachigen Raum zu einem wichtigen Bestandteil einer evidenzbasierten zentralen Steuerungsstrategie geworden und damit nicht länger nur auf der Ebene der Einzelschule angesiedelt. Gleichzeitig wird in der Diskussion um die Weiterentwicklung von Schule und Unterricht hervorgehoben, dass diese neue Steuerung im Bildungswesen nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn sie mit einer partizipativ ausgerichteten bottom-up-Bewegung verknüpft wird.
Das Konzept der Praxisforschung war von Beginn an mit dem Anspruch einer Demokratisierung der Schul- und Unterrichtsentwicklung verknüpft. Der englische Erziehungswissenschaftler Lawrence Stenhouse hat bereits in den 1970er Jahren einen Ansatz entwickelt, in dem Lehrer/innen als Expert/innen in die Entwicklung, Erprobung und Reflexion von Innovationsideen für Schule und Unterricht eingebunden werden. Dieser Ansatz wurde von den beiden österreichischen Erziehungswissenschaftlern Peter Posch und Herbert Altrichter in den deutschsprachigen Raum eingeführt. Parallel dazu ist über viele Jahre hinweg an der Laborschule Bielefeld ein eigenständiges Modell, der Lehrer-Forscher-Ansatz, entwickelt worden.
Unter dem Dach des "Nordverbunds Schulbegleitforschung", einem Zusammenschluss norddeutscher Universitäten, Landesinstitute und Forschungseinrichtungen (in dem auch das Comenius-Institut Mitglied ist), haben sich in den letzten fünfzehn Jahren verschiedene Varianten von Praxisforschung entwickelt, an denen Lehrer/innen und zum Teil auch Student/innen intensiv beteiligt sind. Auch wenn die Praxen dieser Projekte sehr unterschiedlich konzipiert sind und unter verschiedenen Titeln fungieren (Aktionsforschung, Lehrer-Forschung, Teamforschung, Schulbegleitforschung), so lassen sich doch mehrere konstituierende Merkmale identifizieren, die das spezielle Profil dieser Ansätze unter dem gemeinsam Label "Praxisforschung" ausmachen (ein Beispiel für ein Projekt, das im CI durchgeführt wurde, findet sich hier):
In den Beiträgen des Symposiums wurde herausgearbeitet, inwiefern die konstituierenden Merkmale der Praxisforschung einen besonderen Beitrag leisten, um bei Lehrer/innen vertieftes Wissen über die Bedingungen erfolgreicher Unterrichtsarbeit aufzubauen und sie systematisch in die Schul- und Unterrichtsentwicklung einzubeziehen. Erste empirische Befunde stärken die praktische Erfahrung, dass mit der Praxisforschung ein erprobter und konstruktiver Ansatz zur Stärkung demokratischer Teilhabe von Lehrerinnen und Lehrern an der schul- und unterrichtsbezogenen Forschung und an aktuellen Reformen im schulischen Bildungswesen vorliegt.
Nach einem Überblick und Problemaufriss, den Prof. Dr. Peter Posch von der Universität Klagenfurt vornahm, wandte sich PhD Colleen McLaughlin von der Universität Cambridge der internationalen Debatte um "Participatory Action Research" zu. Im Anschluss folgte eine Meta-Analyse der Praxisforschung an den Nordverbundsstandorten Bielefeld, Hamburg und Oldenburg. Auf der Grundlage vorliegender Forschungsberichte haben Dr. Julia Hellmer (Universität Hamburg), Dr. Nicole Hollenbach (Universität Bielefeld), Prof. Dr. Wolfgang Fichten, Prof. Dr. Hilbert Meyer (beide Universität Oldenburg) und Dr. Andreas Feindt (Comenius-Institut) rekonstruktiv herausgearbeitet, welche Formen der Partizipation mit der Durchführung von Praxisforschungsprojekten verbunden sind. Die abschließende Diskussion mit Dr. Gabriele Klewin und Dr. Stefan Hahn (beide Universität Bielefeld) richtete den Blick auf die Weiterentwicklung der Praxisforschung.
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